Diary for Tour d'amour


Der zweittiefste Canyon der Welt: Ausflug in den Colca CaƱon

2011-04-08 to 2011-04-09

Lest hier wir im Colca Canon mit den Einheimischen tanzen mussten, wie ein Duzend Kondore über unsere Köpfe flog, wie wir unseren vorläufigen Höhepunkt von 4910 Höhenmeter erklommen, dabei soviel Coca kauten, dass uns fast davon schlecht wurde, und wie Stef dort ein paar Peruanern zeigte, wie man einen Schneemann baut.

Hin und Her in Arequipa

Von Arequipa aus entschlossen wir uns eine 2-3 Tagestour in den Colca Canyon zu machen. Das hört sich jetzt einfacher an, als die Entscheidung tatsächlich war. Nicht nur gilt es zwischen duzenden von mehr oder weniger guten Agenturen auszuwählen, die eine Preisspanne von 28 bis 165 Euro haben, sondern es stellte sich auch die Frage ob überhaupt eine Tour oder lieber doch auf eigene Faust. Das war uns dann doch am liebsten und so fuhren wir mit gepackten Tagesrucksäcken zum Busbahnhof, von wo aus die 6-7 stündigen Busse nach Cabanaconde im Colcatal gehen. Die Strecke dorthin ist wahrlich nicht so ohne, nicht nur geht es kontinuierlich nach oben (von 2300m auf über 4900m), sondern vor allem danach ziemlich krass steil und kurvig nach unten bis auf um die 3000m und das auf Straßen, die Peru nicht gerade alle Ehre machen. Als ich die Busse sah, die dorthin fuhren und gerade vollgepackt mit Peruanern wurden, hatte ich kein gutes Gefühl. Das Auswärtige Amt schreibt ja nicht umsonst, man solle in Peru lieber keine Überlandbusse benutzen. Und wenn es das schreibt, dann bin ich mir sicher, meint es genau solche. Damit war klar, wir müssen doch eine Tour machen, wenn wir den Colca Canyon noch sehen wollen, da uns zudem langsam die Zeit davon rannte. Wir entschieden uns spontan für die, die im Hotel angeboten wurde und am günstigsten war und es sollte schon am nächsten Morgen losgehen.

Von 2.300m auf 4.900m - mal eben mit dem Bus

Ein kleiner Bus holte uns ab, doch bis wir alle anderen Teilnehmer in Arequipas Stadtzentrum eingesammelt hatten, war schon mal die erste Stunde rum und wir legten einen Pipi und Cocaprodukteeinkaufsstopp ein. Dann ging es kontinuierlich bergauf, nach ca. 1200 Höhenmetern (also irgendwann auf 3.500) kotzte die Erste im Bus. Wir hielten auf 3.800, bestaunten die unter Naturschutz stehenden Vikunjas und/oder nutzen den kurzen Stopp für eine biologische Pause hinter den großen Steinen, denn wenn man so Höhe macht, dann drückt das also ganz schön ordentlich auf die Blase. Eine halbe Stunde später hielten wir an einem Touristenstopp, wo Cocatee, allerlei Knabberzeug, Webereien und Gestricktes und Tee mit 3 Pflanzen (Cochamama, Munja und Coca) verkauft wurden. Letzteren empfahl uns unser Guide für die Weitereise, da wir uns noch mal 1000 Höhenmeter steigern sollten. Natürlich haute ich mir den Tee rein (schmeckte sogar ganz ok). Bidu vertraute weiterhin auf seine Cocablätter, die er sich kontinuierlich seit der Losfahrt in Arequipa in die Backen stopfte. (nicht so meins, ich stehe da mehr auf Coca in Bonbonform, das gibts hier auch.) Machte unser Busfahrer übrigens auch, konnte also nicht so verkehrt sein.

Dann fuhren wir weiter, wir stiegen und stiegen. Hinter jeder Kurve dachte ich, dass muss doch jetzt langsam der höchste Punkt sein. Langsam ging schon der Atem schneller, ich hatte ein leichtes drücken auf dem Kopf und vor allem knackste es die ganze Zeit in meinen Ohren (und ich konnte nix dagegen tun). Nach einer guten Stunde wurde ich endlich erlöst, wir hielten beim Mirador des Volcanes, einem Aussichtspunkt, von dem aus sich die Kordilleren am ganzen Horizont ausbreiten. Die sind im Moment schneebedeckt, weil grad Regenzeit war, und das gibt dem Ganzen noch einen viel imposanteren Touch. Hier hat dann übrigens die Zweite aus dem Bus wegen der Höhe gekotzt.Dort oben war es schon zu Inkazeiten üblich Pachamama ein Opfer zu bringen. Nein, nicht in flüssiger Form wie die Holländerin. :-) Sondern indem wir einen Steinturm bauten und ein paar Cocablätter da ließen (die Bidu nur widerwillig rausrückte). :-)

Chivay

Danach ging es wie vermutet supersteil den Berg hinunter bis nach Chivay, der Bus wich immer mal wieder den riesigen Felsbrocken und/oder Erdrutschhaufen aus, die es auf die Straße geschafft haben. An einem Aussichtspunkt warteten schon die einheimischen Frauen und Kinder in ihren für das Colcatal ganz besonderen (und schönen) Trachten, um entweder für ein Foto zu posieren (für Geld versteht sich) oder ihre tollen Stickereien zu verkaufen. Eine Situation, die sich in den nächsten Tagen noch oft wiederholen sollte. Nach einem wirklich leckeren Lunchbuffet, wo es Alpacca und sonstige lokale Spezialitäten gab (immer noch kein Meerschweinchen), machten wir uns auf zu den heißen Quellen im Ort, wo ein kleines Thermalbad drumherum gebaut wurde. Ich kann euch sagen, auf 3700m in heißen Quellen zu baden, das ist schon was: da dreht sich der Kreislauf im Kreis. Halleluja! Ich hab Bidu deshalb lieber im Wasser sitzen lassen und bin allein noch ein bisschen durch die Gegend gewandert, bevor es langsam anfing zu regnen und die ganze Nacht regnen sollte. Direkt neben den heißen Quellen gibt es schon Inkaterrassen, also Terrassen, die schon seit den Inkazeiten anlegt wurden, um in dem Tal Landwirtschaft zu betreiben. Das Colcatal ist berühmt dafür und liefert wunderschöne Bilder mit dem Colcafluss, den Inkaterrassen links und rechts davon und den schneebedeckten Bergen dahinter.

Peña - Tanzabend mit den Einheimischen

Am Abend dann ein weiteres Highlight. Zusammen mit ein paar Leuten von unserer Gruppe besuchten wir eine Peña, eine Art Musik- und Tanzshow, in einem Restaurant. Das Essen war nicht so prickelnd, die Show umso mehr. Eine ganze Truppe Peruaner spielte auf Gitarre, Trommeln, einer kleinen Gitarre, ähnlich einer Ukulele, Blockflöten und zwei riesigen (und damit meinen wir eine Länge von über einem Meter!!!) Panflöten. Die Jungs mussten vielleicht pusten, um aus den langen Panflöten Töne rauszukriegen. Dazu kamen zwei junge Peruaner, Junge und Mädel, die in den verschiedenen Trachten die lokalen Tänze dazu tanzten. Bidu hatte schon den ganzen Tag den Mund weit aufgerissen, und so wurde er gleich beim ersten Tanz von der jungen Dame zum Tanz aufgefordert. Ringelreihen und Umschwünge auf 3.700 Höhenmetern – da wird’s dir ganz schön dusselig. Kann ich aus Erfahrung sagen, denn ein paar Lieder später war ich auch dran und zwar beim wie ich ihn nenne "Sadomasotanz", den echten Namen auf Quechua hab ich schon wieder vergessen. Mann und Frau tanzen, einer von beiden tut so als würde er von einem vergifteten Apfel essen und sinkt zu Boden und legt sich dort auf den Rücken (in meinem Fall ich). Der junge Kerl hat dann so einen aus Wolle gestrickten Bommel am Seil in der Hand, mit dem er erst ein paar Mal auf den Boden schlägt (das fetzt!) und das Ding dann auf die Oberschenkel der Frau haut (autsch!). Ich dachte der spinnt, als er tatsächlich zugehauen hat. Nach ein paar Schlägen hilft der Mann der Frau wieder auf und schmeißt sie sich über die Schulter und dreht sich mit ihr auf der Schulter im Kreis. Auch das hat er gemacht. Der arme Peruanerjunge, ich dachte erst, der bricht unter mir zusammen, aber dann dachte, naja, soll er ruhig auch ein bisschen leiden, schließlich hab ich ja die Schläge abgekriegt. :-)


Nach diesem lustigen Abend ging es früh ins Bett, denn am nächsten Morgen mussten wir schon wieder um halb 5 aufstehen. Ein kurzes Frühstück später waren wir auf dem Weg Richtung dem berühmten Aussichtspunkt Cruz del Condor, dem Ort im Tal, wo der Canyon am tiefsten und engsten ist und wo man deshalb – wenn man Glück hat – Kondore sehen kann. Hab ich ja noch gar nicht erwähnt, dass der Colca Canyon der zweittiefste der Welt ist! Der tiefste ist Cotuahasi aber der liegt nochmal 11 Stunden weg und ist nur ca. 160m tiefer. Der Colca Canyon ist, je nachdem ob man vom höchsten Berggipfel nahe der Schlucht aus bis zum Fluss misst oder vom Rand der Schlucht, 3.269 m bzw. 1.200 m tief. Der Grand Canyon dagegen ist (nur) etwa 1.800 m tief (und hat uns ja letzten Oktober nicht so vom Hocker gehauen). Der Colca Cañon dagegen schon.
Kondore im Colca Cañon

Um die Kondore hier zu sehen, braucht man schon ein bisschen Glück. Im ganzen Colcatal leben nämlich geschätzt nur an die fünfzig Stück und das Tal ist groß, die können sich überall herumtreiben. Doch wir hatten mal wieder Glück. Noch bevor wir überhaupt das Cruz del Condor erreicht haben, sahen wir die ersten fünf. Dort angekommen, positionierten wir uns abseits der Masse und warteten. Bis plötzlich sechs bis acht Kondore, die eine Spannweite von bis zu drei Metern, haben über unseren Köpfen flogen. Einfach nur magisch, wie sich die Kondore majestätisch durch die Luft erheben. Nicht mehr so sehr, wenn man weiß, dass Kondore zur Familie der Geier gehören und sich von Aas ernähren. Dass sie den Geiern auch ziemlich ähnlich sehen, sieht man dann auch nur durch ein Fernglas oder Zoomobjektiv. Gut! Jetzt wissen wir wenigstens wieder, warum wir das schwere Zoomobjektiv seit 9 Monate mit uns rumtragen… Nachdem sich die Kondore wieder verzogen haben (sind meist nur frühmorgens oder abends unterwegs), stand eine kleine Wanderung am Rand des Canyons entlang an. Dabei lernten wir verschiedene Kräuter aus den Anden kennen und sahen jede Menge Kaktusse, was wir für die Höhenlage und Feuchtigkeit nicht erwartet hätten. Eine super Landschaft, wir waren bezaubert. Ab und zu mussten wir den fast 2cm großen Eselsfliegen entwischen, die anstatt die Esel versuchten uns zu stechen. Lästige Viecher, aber nach den Pferdebremsen in Kanada und den Sandfliegen in Neuseeland kann uns nix mehr schocken.


Weitere Stopps auf der inzwischen ungeteerten mehr oder weniger einspurigen Straße am Rand der Schlucht gab es in verschiedenen Dörfchen im Tal, wo es neben Erlösung bringenden Toiletten auch jede Menge Einheimische gab, die sich sobald der Bus anhielt und wir ausstiegen wahlweise mit ihren Lamas, Baby-Alpaccas und Adlern (jawohl, gezähmten Adlern) in ihren Trachten positionierten und auf ein Foto wollten. Selbst eine kleine geschäftstüchtige Fünfjährige war dabei, die die Touristen gezielt ansprach und sich für ein wie sie selbst sagte „Propinita“, also Trinkgeldchen fotografieren lassen wollte. Auch Händler gab es zuhauf und dazu stellte sich jeweils vor der Abfahrt in den verschiedenen Dörfern ein bettelnder Mann vor die Bustür und hielt die Hand auf, sodass jeder der vorbeiging etwas geben sollte. Hat aber keiner gemacht. Schon krass, wie hier alles touristisch ausgeschlachtet ist, aber die Leute in den Dörfern hier sind halt schon ziemlich arm und wenn man etwas dafür bekommt (Souvenirs oder schöne Fotos) dann darf man ja auch ruhig was geben. In Mexiko haben wir mal erlebt, dass ein Mann einer Händlerin auf der Straße Geld gegeben hat, ohne was zu kaufen, nur damit sie ihn in Ruhe lässt. So krass haben wir es hier nicht erlebt. Die Leute waren freundlich und boten ihre Sachen an, ohne aufdringlich zu sein.

Ein Schneemann auf 4.900m

Nach einem weiteren typischen Mittagessen, das dieses Mal leider nicht so prickelnd war, ging es zurück nach Arequipa, schließlich stand uns dafür noch ein bisschen Fahrt bevor und vor allem wieder Höhenmeter. Zurück ging’s nämlich auf dem gleichen Weg wie wir hergekommen sind. Dadurch dass es die letzte Nacht fast nur geregnet hatte, waren schon morgens die umliegenden Berge wie mit Puderzucker bestaubt, sofern sie nicht eh noch schneebedeckt waren. Aber an dem Punkt, wo wir am Vortag noch inmitten einer Steinwüste auf 4.900m standen, war jetzt alles weiß und voller Schnee. Wieder mal hatten wir Glück und bekamen eine kleine Zusatzattraktion: eine Schneeballschlacht auf fast 5000m (unter akutem Schwindelgefühl und Sauerstoffknappheit). Das hab ich dann auch lieber den Jungs überlassen und mit einem Peruaner aus Lima (wie heißen die dann eigentlich: Limesen? Limaner?) zusammen einen Schneemann gebaut. Dem sind fast die Augen rausgefallen, als ich mir ein paar Steine geschnappt hab, und dem Schneemann ein Gesicht gegeben hab. Da hat er doch gleich seine beiden Kollegen dazu geholt und die hatten auch Mords die Freude. Ich weiß nicht, ob die noch nie einen Schneemann gesehen haben, oder ob ich hier als Entwicklungshelferin unterwegs war, aber danach gab erst mal ein Fotoshooting, denn jeder wollte ein Bild mit dem Schneemann und mir. Dabei sah der noch nicht mal gut aus, wobei… für 5000 Höhenmeter unter Schnappatmung, Zeitdruck und Schwindelgefühlen war das Ding schon fast überragend. :-) Ich glaube wir alle waren froh, als der Bus dann endlich weiterfuhr (der halbe Bus keuchte) und wir an Höhe verloren um gegen frühen Abend in Arequipa einzutreffen.


Unser Fazit: