Diary for Tour d'amour


Kanadas Ostküste und die Rückkehr von Scorch(i/y)

2010-07-28 to 2010-08-08

Ontario – unterwegs in Kanadas Osten
Nach dem wie ihr schon gelesen habt zweifachen Grenzübertritt von USA nach Kanada stand knapp 2 Wochen Kanadas Ostküste auf dem Programm. Bidus Onkel Rudy und seine Frau Heather wohnen in der Nähe von Toronto und boten uns damit nicht nur einen idealen Ausgangspunkt für die Erkundung von Ontario sondern auch eine super gemütliche Atmosphäre, sodass wir uns super wohl fühlten.

Toronto
Wir haben Toronto als eine Stadt mit entspannter, multikultureller Atmosphäre wahrgenommen, einmal abgesehen vom Verkehr stadteinwärts und der allgemeinen Parkplatzproblematik - aber nach Manhattan kann uns nichts mehr schocken! J In Little Italy haben wir einen Italiener gefunden, der besser war als so manch Italienisches Restaurant in Italien (die hatten sogar Ramazotti, auch wenn Stef der Bedienung erklären musste, was das ist und wo hinter der Bar die Flasche steht). Und natürlich sind wir auch auf den CN Tower hochgefahren (das Muss in Toronto), der ja immerhin bis vor kurzem noch das höchste Gebäude auf der Welt war (unlängst überholt vom Burj Dubai).

Kensington Market – Seifenblasen und Hippieträume
Unser Highlight in Toronto allerdings war der Kensington Market, über den der Reiseführer schrieb: Die Strassen sind voller Künstler, städtischen Hippies mit Dreadlocks, tätowierten Punks, Kiffern, Junkies, Dealern, Bikern, Gruftis, Musikern und Anarchisten. Zwielichtige Gestalten auf Fahrrädern flüstern einem im Vorbeifahren ihr Drogenangebot zu; in der Luft liegt ein Hauch von Stoff und Hendrix. Und so wars dann auch. Wir waren fasziniert von diesen schrulligen Läden mit Tibetfahnen, die Vintageklamotten verkaufen und Seifenblasenautomaten im Vorgarten, Bioläden, Käsetheken, Tätowierungen allerorts – in diesem elegant verfallenen Viertel spürt man Torontos Multikulti am meisten und ganz kurz haben wir uns beim Eistee auf der Veranda eines Pubs echt gefragt, ob der nicht aus Hanf gebrüht worden ist.

Oktoberfest in Berlin
Was hat das Oktoberfest mit Berlin gemeinsam? Nix! Würden jetzt die Deutschen unter uns sagen. Und die Bayern unter uns wären ganz erzürnt über die Kombination aus ihrem Oktoberfest und den (wahlweise Sau-)preisen aus dem Norden…. Allerdings findet in Kitchener, Ontario, (so heißt der Ort seit dem ersten Weltkrieg, davor hieß er tatsächlich Berlin) das größte Oktoberfest auf dem amerikanischen Kontinent statt (allerdings leider wirklich erst im Oktober). Wir hätten uns dieses Oktoberfest a la Disneyland (mit Parade in Lederhosen) echt gerne angesehen. Bidu hat Stef dann auch grad noch so davon abhalten können im Oktoberfest Haus das T-Shirt mit dem Aufdruck „Official German Drinking Team“ zu kaufen. J Überhaupt ist die Gegend ziemlich deutschlastig. Wir waren in so lustigen Orten wie Heidelberg, Bamberg (allerdings liegt ganz in der Nähe auch Paris und London).

Mennonitenland – ein Leben ohne technischen Fortschritt
Richtig interessant wurde es dann aber im Mennonitenland. Mennoniten – was war das gleich nochmal? In Kurzfassung waren das Süddeutsche, Schweizer und Holländer, die ab dem 16. Jahrhundert in Europa verfolgt wurden und nach Amerika & Kanada ausgewandert sind, um dort Farmer zu sein. Die Mennoniten oft the old order lehnen zum Beispiel den technischen Fortschritt ab und fahren in Kutschen, bestellen ihre Felder mit Ochsengespannen und haben keinen Strom und elektrische Geräte. In der Gegend um St. Jakobs gibt es hunderte von diesen Farmen, die man an den grünen Dächern erkennt. Die Mennoniten bilden eine starke Gemeinschaft und ihre Gottesdienste werden tatsächlich in Deutsch abgehalten. Auf unserer Fahrt auf dem Herrgotts Drive (der heißt wirklich so) haben wir viele Mennoniten in ihren etwas altertümlich anmutenden Kleidern und auf ihren schwarzen Wägen fahrend gesehen.

Unser erstes Abenteuer – verloren im Glen Canyon
Wir hatten noch nicht genug. Obwohl wir die Niagarafälle schon einen ganzen Tag bei Klasse Wetter bewundern konnten, wollten wir sie nochmal sehen und zwar bei Nacht. Zuvor
wagten wir allerdings einen Wanderabstieg zum Whirlpool. Das ist ein riesiges Becken mit ca. 500m Durchmesser, das der Niagarafluß mehrere Kilometer von den Wasserfällen entfernt in den Canyon gefräst hat, und wo sich das Wasser dreht wie in einem Whirlpool. Dorthin gelangt man über eine mehrere Kilometer lange Wanderung im Niagara Glen Nature Reserve, die über Stock und Stein geht und nicht von so vielen Menschen gemacht wird – die meisten lassen sich für 65 Dollar auf dem Jetboot mit ein bisschen Gekreische in den Whirlpool bringen. Und deshalb war der Weg auch überhaupt nicht markiert ab einem bestimmten Punkt und eine amerikanische Familie, die uns entgegen kam, hat uns sogar gewarnt, wir sollten auf keinen Fall weitergehen weil es da einen Erdrutsch gegeben hätte. Allerdings kam uns dann einer entgegen und der hatte den Weg gefunden und zwar ohne Probleme. Also wollte wir es natürlich auch wagen und traten den Weg an. Und tatsächlich – an einem bestimmten Punkt ging es überhaupt nicht mehr weiter. Natürlich musste das an dem Punkt sein, wo man denkt, hier ist es so steil und rutschig, der Weg muss einfach nach oben weitergehen, weil runter schaffte das im Leben nicht mehr.
Nachdem wir aber den Abstieg langsam aber sicher doch nochmal geschafft haben, trafen wir einen lokalen Wanderer, der uns den Weg zeigen konnte.
Lustig war dann auch, dass wir unterwegs auf ein älteres Pärchen stießen, welches sich total erschreckt hat, als sie uns erblickten. Der Mann ist so zusammengezuckt und erklärte uns dann auch warum: er dachte tatsächlich Bidu ist ein Bär… Mann, haben wir gelacht!

Niagarafälle bei Nacht

Nach gelungenem Aufstieg aus der Schlucht machten wir Halt auf einer großen Wiese oberhalb des Canyons um zu Picknicken. Dabei stellten wir fest, dass die ganzen Picknick abschnitte an der Strasse ethnisch getrennt waren. Das heisst: zuerst kamen wir an der Inderwiese vorbei und wo wir uns niederließen, das mussten die Muslime sein, denn alle Frauen um uns rum trugen Kopftuch J
Dann aber war es langsam soweit. Die Niagarafälle bei Nacht warteten auf uns. Die Zeit bis zu Dunkelheit vertrieben wir uns mit Leute gucken bei Chai Tea Latte vor Starbucks und Leute ausweichen auf Niagaras Amüsiermeile mit Casino, Fressbuden, Leuchtreklamen und Fahrgeschäften (was für ein Kontrast zur Natur am Mittag!). Stef konnte es kaum erwarten, da wieder weg zu kommen. Als es endlich dunkel wurde, ging das Lichterspektakel mit den Wasserfällen los und wir standen eine Stunde lang fasziniert vor den Wasserfällen, die abwechselnd blau, rot, grün, gelb, lila in den tollsten Kombinationen angeleuchtet wurden.


Die längsten Süsswassersandstrände der Welt
Nach diesen Eindrücken nahmen wir uns eine kleine Auszeit und fuhren für ein paar Tage mit unserem Mietwagen an den Lake Huron und in die Georgian Bay. Die gilt unter Kanadiern als Geheimtipp, denn dort gibt es den mit 14km (!!!) längsten Süsswasserstrand der Welt. Leute, das könnt ihr euch echt nicht vorstellen – weiße Sandstrände und ein endloser See, der sich anfühlt wie das Meer inklusive Wellengang!!! Jedes Mal wenn wir aus dem Wasser kamen und uns auf den Sand fallen ließen mussten wir uns klar machen, dass da kein Salz auf unserer Haut ist und dass diese Wellen, denen wir gerade entstiegen sind nicht das Meer sind, sondern einer der größten kanadischen Seen! Es gab sogar Kite- und Windsurfer und das Wasser war unglaublich klar. Nachdem wir uns mit diesem Trip gegen die 1000 Islands in Ontarios Osten entschieden haben, machten wie eine Bootstour durch die Georgian Bay. Wer braucht schon 1000 Inseln, wenn er 30.000 haben kann? inklusive der Bekanntschaft mit dem Kapitän, einem verbündeten Reisenden im Geiste (seit Jahren als Backpacker unterwegs).

Aus eins mach zwei – Scorch(i/y) ist zurück
Wir konnten es selbst kaum glauben. Als wir von unserem Mehrtagesausflug von der Georgian Bay zurückkamen, erwarteten uns zwei fast einheitlich große Pakete. Was’n da drin, haben wir uns gefragt und da die Pakete aus Deutschland und der Schweiz kamen und damit über den Zoll war natürlich eine Zolldeklaration dran: stuffed animal stand auf dem einen und Kuscheltier auf dem anderen Paket. Sollte das etwa gleich zwei Mal ein neuer Scorch sein? Mann, waren wir aus dem Häuschen…. Und tatsächlich, dank unserer lieben Familien zuhause haben wir jetzt zwei Scorchis. Um Verwechselungen untereinander und mit früheren Reisemaskottchen (Ruhe er in Frieden, Scorch Leuenberger-Boos) zu vermeiden, haben wir sie Scorchi und Scorchy genannt. Um ganz ehrlich zu sein, Scorchi haben wir ja erwartet, aber dass Scorchy auch noch ankommt, das war eine Überraschung! Danke Mom und Möni!

Die Hochzeit von Julie und Tim
An unserem letzten Wochenende stand dann die Hochzeit von Beats Cousin Tim und seiner Julie an – unsere erste kanadische Hochzeit. Besonders toll fanden wir neben vielen kanadischen Traditionen, die wir hier gar nicht alle aufzählen können, die Tatsache, dass auf kanadischen Hochzeiten so viele Songs von Bryan Adams gespielt werden, die Partystimmung und dass wirklich Jung und Alt auf der Tanzfläche abhotten.

Where did you come from, where did you go – where did you come from, Cotton Eye Joe
Apropos abhotten…. Kennt ihr noch den Song „Cotton Eye Joe“ von Rednex aus den Neunzigern? Es war schon so zu später Stunde (den allgemeinen Alkoholpegel könnt ihr euch vorstellen), Bidu hatte gerade die Tanzfläche mit dem Brautvater und der Gummigitarre zu ACDC gerockt (jaaa! Freiwillig! J), da spielte der DJ den Cotton Eye Joe und die halbe Hochzeitsgesellschaft war auf der Tanzfläche am tanzen. Da kam Stef auf die dumme Idee, den Kanadiern müsste man mal zeigen wie man den Tanz richtig tanzt, ihr wisst schon, zu zweit in großen, hüpfenden Schritten über die Tanzfläche springend. Bidu natürlich gleich dabei, also los geht’s einmal quer über die Tanzfläche… und zurück. Eigentlich dachte Stef, dass in Folge dessen, die halbeTanzfläche parallel mit uns tanzt aber kaum hatten wir angefangen, bildete sich plötzlich ein Riesenkreis um uns und die ganze Tanzfläche (also die halbe Hochzeitsgesellschaft ( mehr als 50 Leute) feuerte uns bis zum Ende des Liedes (und das Lied war laaaaang!!!!) klatschend an. Ach du Schande! Hoffentlich denkt jetzt keiner das ist ein traditionell deutscher / schweizer Tanz. Ha ha… J

Nach einem Tag erholen von diesen Hochzeitstrapazen hieß es auch schon wieder packen und ab geht’s mit West Jet im wahrsten Sinne des Wortes westwärts nach Calgary, wo uns schon die kanadischen Rockies erwarten. Bleibt dran, wenn es heißt ab in die Wildnis…