Diary for Tour d'amour


Was ein Abenteuer! Bekanntschaft mit der Zapatistischen Armee mitten im Dschungel

2011-02-28 to 2011-03-07

Wie wir den lateinamerikanischen Karneval erlebten, im tropischen Regenwald nach Ruinen suchten und in einer Straßenblockade einer indigenen Guerillaorganisation mitten im mexikanischen Dschungel gefangen waren.


Karneval in Merida – Bier, Paraden und jede Menge Leute
Doktor Alejandro sei Dank wurde unser Aufenthalt in Merida nochmals verlängert. Dienstag hat er meine Wunde genäht, jetzt darf sie endlich zuwachsen und wir wissen – auf jeden Fall noch mal 4 Tage in Merida. Ganze zwei Wochen sind wir dann hier und langsam wird’s Zeit, dass wir die Kurve kratzen. Doch das Ganze hat auch eine positive Seite – so bekommen wir wenigstens noch was vom Karneval in Merida mit, der als einer der besten und größten Mexikos, wenn nicht sogar Lateinamerikas gilt. Freitag war der erste große Umzug und wir schon sehr gespannt, was uns da abends erwartet. Die Leute waren selbst nicht verkleidet und auf dem Platz San Juan, wo wir uns hinstellen wollten, gab es Karussells, Boxautos, eine Konzertbühne und jede Menge Tacostände. Das Beste aber waren die beiden Bierstände, wo sich die Sols und Coronas nur so stapelten. Ob es daran liegt, dass die beiden Brauereien den halben Karneval sponsern oder dass der Mexikaner grundsätzlich gerne Bier trinkt – wir wissen es nicht, aber hier wird nicht wenig gesoffen – und das sogar auf der Straße - sonst in Mexiko für Mexikaner verboten. Bei Touristen macht man eine Ausnahme: nur so lassen sich die Unmengen von saufenden Amerikaner und sonstigen Nationen in Cancun erklären.


Auf dem Karneval wurden wir zum ersten Mal von Mexikanern angesprochen, die umso netter wurden, als wir klar stellten, dass wir keine Americanos sind. Miguel, ein Maya, wollte uns gar nicht mehr verlassen. Wir haben ihn zwar kaum verstanden, doch er redete und redete und hat währenddessen ordentlich einen gehoben (bis dass seine Frau kam und ihm die Leviten gelesen hat).

Kein Englisch – kein Spanisch – der Japaner auf Weltreise
Endlich war es soweit! Wir hatten ja schon viele Blogs anderer Reisender gelesen und immer kam darin an irgendeinem Punkt ein Japaner vor, der weder Englisch noch Spanisch spricht Nicht zu fassen – wie schaffen die es nur sich zu verständigen? Kein Wort Englisch und kein Wort Spanisch! Als sich genau so ein japanisches Paar beim Frühstück zu uns an den Tisch gesetzt und haben wir uns nur angeschaut und geschmunzelt: wie haben die es bloß soweit durch Mexiko geschafft? Wir finden: „irgendwie beruhigend für unsere Weiterreise nach Südamerika.“

Museum für Antropologie - ein Fundament für unser Maya-Wissen

Merida ist quasi das kulturelle Zentrum Yucatans. Und so durfte ein Besuch des  Museum für Antropologie nicht verpasst werden, schließlich will das Gesehene ja mit wissenswerten Fakten fundiert werden. Außer vielen Exponaten, die man den archäologischen Ausgrabungsstätten, die wir besichtigt haben, entnommen hat, konnten wir uns über Begräbnisriten, den berühmten Mayakalender und die bei den Maya üblichen Verformungen der Köpfe informieren.


Progreso – kühle Brise und ein Kaiserstühler im Exil
An unserem letzten Tag in Merida war ich dann auch wieder so mobil, dass wir nach Progreso fahren konnten, einer kleinen Stadt am Golf von Mexiko. Schon im Reiseführer stand, dass dort ein kühler Seewind ginge, der die 40 Grad von Merida etwas herabsetzen würde. Den spürte man aber wirklich nur direkt am Strand, was uns die Gelegenheit gab, die einheimische Bevölkerung (an einem Samstag) bei der Strandfiesta zu beobachten. In Progreso wohnt auch Alex, der Bruder eines Bekannten, den wir dann auch noch in seinem Restaurant besuchen, wo Bilder von Schwarzwald, Freiburg und natürlich dem Kaiserstuhl an der Wand hängen. Nicht nur Alex freute sich mal wieder Badisch zu reden. Leider mussten wir viel zu früh wieder los, da wir es im Karnevalsverkehr rechtzeitig wieder nach Merida schaffen mussten, was dann auch beim vierten Bus klappte. 


Endlich wieder auf Achse
Noch am Abend nahmen wir den Nachtbus nach Palenque. 8 Stunden Busfahrt, die wir eigentlich ganz gut überstanden. Palenque liegt mitten im Dschungel, wo man auch sehr spartanisch draußen im Dschungel übernachten, aber nachdem ich gelesen hatte, dass Leute Vogelspinnen und Skorpione im Zimmer hatten, nahmen wir ein gutes Angebot in einem Hotel in Anspruch, in dem wir uns zwar mit unseren Rucksäcken etwas deplatziert vorkamen, (man versuchte uns auch die schlechteren Zimmer zu geben, aber wir ließen uns AUCH AUF SPANISCH nicht lumpen) aber für nur wenig Geld mehr bekamen wir damit eine HEISSE Dusche und KEIN Krabbelgetier in unserem Zimmer. Die Brüllaffen, die es in Palenque gibt, haben wir trotzdem gehört und konnten damit in Palenque selbst, das relativ gut entwickelt ist, eine gute Auswahl an Essensmöglichkeiten finden.

Ab in den Dschungel - die Ruinen von Palenque
Noch am Morgen besichtigten wir die Ruinen. Wir waren überwältigt, wenn auch völlig durchschwitzt, von den Anlagen, die wirklich mitten im Dschungel stehen. Im Gegensatz zu Chichen Itza, wo man nirgendwo rein durfte, und sich schon mehr wie in einem Museum vorkam, als auf einem Ausgrabungsgelände, durfte man hier die Pyramiden erklettern und sogar in die entdeckten Gräber und Gebäude hinein – ziemlich spektakulär das Ganze! Im Gegensatz zu Chichen Itza, das nur so von Händlern wuselte, waren sie in Palenque, das auch zum UNESCO Welterbe gehört, weniger aufdringlich. Gekauft haben wir trotzdem nix, der Rucksack ist schwer genug. Aufgrund einer durchgeschleusten deutschen Reisegruppe hörten wir so viel Deutsch wie schon lange nicht mehr (von sächsisch bis badisch alles dabei).  Wir hingegen ließen uns richtig Zeit und erkundeten das ganze Gelände, auch das, was nicht auf der Hauptroute liegt und wo nur die wenigsten hingehen. Am Ende des Hauptteils entdeckten wir einen Weg, der nach unten führt, wo wir nicht nur weitere Ruinen entdeckten, die teilweise von Bäumen und Pflanzen bewachsen waren, sondern wanderten auch mitten durch den Dschungel und kamen dabei völlig unerwartet an den schönsten Wasserfällen vorbei. Im Museum konnten wir noch den Inhalt des 1994 entdeckten Grabs betrachten und dann sprangen wir ins nächste Collectivo, das uns für 60 Cent ins 12km entfernte Palenque brachte.

Der Wasserfall von Misol-Ha
Schon bei der Ankunft mit dem Nachtbus in Palenque sprach uns ein Touranbieter an, der uns anbot uns auf einer Tour nach Misol-Ha, einem Wasserfall, und Agua Azul, weiteren Wasserfällen mitten im Dschungel, zu bringen und dann den regulären Bus nach San Christobal auf der Straße für uns anzuhalten. Dies passte uns gut, der Preis war ok und wir willigten ein, denn die beiden Stopps lagen ohnehin auf der Strecke und man kommt ohne eine Tour nur sehr umständlich hin und dann hat man sein Gepäck nicht versorgt. So wurden wir also am nächsten Morgen abgeholt. Nach nur 10 Minuten Fahrt gab es plötzlich und unerklärt einen Stopp und es mussten alle raus aus dem Minibus und sich in einen anderen Minibus quetschen, der schon ziemlich voll besetzt war. Unser Gepäck kam aufs Dach (hätten die ruhig mal vorher sagen können, dann hätten wir es besser verpackt). Auf unheimlich kurvigen Straßen ging es mitten durch den Dschungel bis zum Wasserfall Misol-Ha. Der sieht von vorne nachdem man so wie wir Duzende von Wasserfällen in den letzten 8 Monaten gesehen hat, gar nicht so spektakulär aus, ehrlich gesagt, war ich erst mal enttäuscht. Das Interessante ist aber, dass man, da der Wasserfall über einen großen Überhang herunterfällt, wirklich hinter den eigentlichen Fall klettern kann und somit eine Perspektive bekommt, die man sonst nicht hat.


Agua Azul – Wasserfälle, die uns den Atem raubten
Über den nächsten Stopp, hatten wir schon viel gelesen und gehört. Doch zuerst mussten wir auf weiteren 40 kurvigen Kilometern durch den Dschungel fahren. Ab und an fuhren wir durch eine Ansammlung von dürftigen Hütten, in denen die indigene Bevölkerung lebt. Festzustellen auch an den Straßenschwellen, die wir immer kurz zuvor passierten und an denen schon die Leute parat standen, um Bananen, selbst Gekochtes oder Souvenirs zu verkaufen. Als wären die Straßenschwellen nicht genug, spannten sie manchmal eine Schnur über die Straße, um so die Fahrer zum Anhalten zu zwingen. Angehalten hat unser Fahrer nie, denn diese Strecke gilt auch als eine der gefährlichsten, da es im Schutz des Dschungels und der Abgeschiedenheit immer wieder zu Überfällen kam. Aber solange man die Strecke tagsüber fährt, sollte man eigentlich sicher sein.


Zurück zum Thema anhalten – nach einer ganzen Weile Fahrt gab es plötzlich mitten im Nirgendwo einen Stau. Vor uns Reisebusse, private Autos, Collectivos - alles stand still, teilweise auch die Leute auf der Straße, rechts der Abhang, links der Dschungel. Unser Fahrer stieg aus, wir irgendwann auch, schließlich will man ja wissen was da los ist. Bei den vielen Autos dürfte es wenigstens kein Überfall sein. Wir hatten darüber gelesen, dass es diese Gegend von der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung, einer indigenen Guerillaorganisation in Chiapas, also diesem ärmsten mexikanischen Bundesstaat, beherrscht wird und es in den letzten Jahren häufig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der mexikanischen Armee kam, aber das wir mittendrin landen würden, das hätten wir nicht gedacht! Mit Drogen hat das übrigens ausnahmsweise in Mexiko nichts zu tun. Während wir also auf der Straße Schatten suchten, näherte sich uns ein ca. 1.30 großer Jugendlicher, der sowas von absonderlich war, ich sag euch, der war mir echt unheimlich, wie der uns die ganze Zeit anstarrte und komische Fragen stellte, die ihm keiner aus der Gruppe beantworten wollte. Irgendwann kam unser Fahrer zurück und fuhr wortlos mit dem Minibus davon. Hallo?! Also wir hinterher gelaufen und mit Erleichterung festgestellt, dass er nur in eine Lücke weiter vorne im Stau gefahren ist. Das ging dann noch sechs sieben Mal so weiter, bis wir schließlich weiterfahren konnten bis zu einer Kreuzung, wo uns erst mal ziemlich viel Polizei ins Auge sprang. Auf dieser Kreuzung bogen wir ab nach Agua Azul, froh dem Ganzen erst mal entkommen zu sein. In drei Stunden, wenn wir zurück fahren würden, könnte alles ganz anders aussehen.

An den Wasserfällen angekommen kämpften wir uns zwischen den Essenständen, improvisierten Restaurants und Souvenirhändlern durch immer dem türkisblauen Schimmer entgegen, der schon von weitem durch die Bäume leuchtete. Als wir tatsächlich vor der Wasserfällen standen, die eigentlich mehr Kaskaden sind, kamen wir aus dem Staunen nicht mehr raus. Schäumend weiße Wassermassen fallen über terracottafarbene Felsen in Pools einer unwirklich türkisen Farbe – wir waren uns einig – das sind die schönsten Wasserfälle, die wir je gesehen haben (und das vor dem oben beschriebenen Hintergrund der wahrscheinlich an die 80 Wasserfälle dieser Reise)!!!
Minutenlang staunten wir und zogen die ganze Magie dieses Ortes in uns auf. Dann wanderten wir die Kaskaden hinauf. Insgesamt bestehen die Wasserfälle aus über 500 einzelnen Kaskaden die eine Höhe von zwei bis 30 Metern erreichen. Die Fälle erstrecken sich über eine Distanz von etwa 6 Kilometern, wovon wir natürlich nur einen Bruchteil besichtigen konnten. Sogar Baden kann man in den Wasserfällen und auch wenn es a.kalt ist, bei 40 Grad feuchtwarmer Dschungelhitze eine mehr als willkommene Abwechslung, die sich Bidu nicht nehmen ließ. Bedauerlicherweise verhinderte meine frisch genähte Wunde meine Abkühlung, aber wenigstens mit den Füssen ins Wasser das musste schon sein.

Wir bekommen unser Abenteuer: gefangen in der Straßenblockade der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung!
Nach 10 Empanadas für 1,20 Euro vom Straßenstand gingen wir zurück auf den Parkplatz, um unseren Fahrer und unser Gepäck zu treffen. „Malas noticias!” – sein erster Satz. Schlechte Nachrichten also: die Zapatisten hatten anstatt die Straße freizugeben, die Straße nun komplett gesperrt und zwar für die nächsten Stunden. Na Klasse, wir hatten ja nur für diese Nacht ein Hostel reserviert. In 3 Stunden wurde es dunkel und das Thema Sicherheit damit wieder ganz schön aktuell. “Wir könnten ja wieder zurück nach Palenque, das würde gehen” so unser Fahrer, wohlgemerkt alles auf Spanisch. Da konnte uns auch das argentinische ältere Ehepaar, das außer uns aus der Gruppe auch noch nach San Christobal wollte, nicht wirklich weiterhelfen. Er konnte außer Spanisch nur Italienisch und sie konnte etwas französisch. Auf der Sprache haben wir uns dann mehr schlecht als recht verständigt. “kommt nicht in Frage”, so auch das argentinische Ehepaar, “es muss doch einenW eg geben die verbleibenden 150km zu machen.” Der Fahrer meinte “Bueno”, es gäbe einen, wir würden jetzt umsteigen auf ein Collectivo, dass uns bis zur Straßenlockade bringt, dann auf ein Collectivo nach Ocosingo und dort nochmal umsteigen auf ein Collectivo nach San Christobal. Hier hatten wir unser Abenteuer! Unser Geld für die Busfahrt war futsch und extra zahlen mussten wir auch noch, aber wir dachten, “egal, hauptsache weg von hier!!!” und los ging es. Das Gepäck verladen fuhren wir die 5km zurück bis zur Straßenkreuzung und während unsere Fahrer ausstiegen, die Zapotisten gerade in Sprechchöre verfielen, mich vom LKW gegenüber 50 Polizistenaugenpaare anstarrten und die argentinische Frau mir auf französisch erklärte, was das für eine gefährliche Gegend sei, da wurde es mir zum ersten Mal mulmig Bidu, der hinten auf der Ladefläche mitgefahren war, übrigens auch und das ohne die Erklärungen der Argentinierin. Gesteigert wurde das ganze dann aber noch dadurch, dass der Fahrer zurück kam und uns bedeutete mit unserem Gepäck durch die Blockade zu laufen. Und so liefen wir schwer bepackt MITTENDURCH auf der gesperrten Straße, die auf einer Seite von den Polizisten und auf der anderen Seite von den Zapotisten gesäumt wurde, verfolgt von den argwöhnischen Blicken von beiden Seiten. Ich hab mich kaum getraut ein Foto zu knipsen... das war mal Anspannung pur, ich sags euch!

Auf der anderen Seite der Blockade sprangen wir noch kurz hinter die Büsche - eine gute Idee, wir mussten nämlich warten bis das Collectivo bis auf den letzten Platz gefüllt war. Mit dem argentischen Ehepaar und sonst nur Einheimischen fuhren wir dann endlich los. 40 kurvenreiche Kilometer und anderthalb Stunden später kamen wir in Ocosingo an. Im Nachhinein ist es unfassbar wie gut es für uns lief, denn dort wartete schon ein Collectivo nach San Christobal, dessen letzte beide freien Plätze wir füllten. Mit diesem Gefährt machten wir also die letzten 1300 Höhenmeter und ca. 100km bis nach San Christobal de las Casas. Unser Fahrer, von dem wir sicher sind, dass er Fernando Alonso heißt, fuhr die Strecke, die nicht weniger kurvig war als die vormaligen Kilometer in einem Affenzahn und vertraute wohl der guten Kurvenlage seines Minibusses und seiner Streckenkenntnis. (Wir auch, was sollten wir sonst tun?) Auf den nächsten 100 Kilometern überfuhr er fast eine Kuh, einen Hund (das war KNAPP, den Hund konnten wir im Collectivo jaulen hören), und jetzt Achtung - einen Besoffenen, der mit dem Kopf auf der Straße in einem Graben lag! Ich sag’s euch - was für eine Fahrt!


Übrigens heute haben wir eine Polin kennengelernt, die an diesem Tag den offiziellen Bus von Palenque nach San Christobal genommen hat. Die gesamte Busfahrt (normale Strecke 200km in 5 Stunden) dauerte 24 Stunden, da die Zapatisten die EINZIGE Straße gesperrt haben, die es gibt und der Bus die gesamte Gegend umfahren hat! So betrachtet, haben wir mal wieder mehr als Glück gehabt und ein Abenteuer dazu!!!

Unser Fazit: